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Blended Learning in der Lehrkräfteausbildung

Selbstgesteuert für die Zukunft lernen

Alle reden über „New Learning“ (engl. für “Neues Lernen”) – doch was genau bedeutet das? Welche Möglichkeiten gibt es, Präsenz-Lernräume mit digitalen Lernumgebungen zu verknüpfen und welche Veränderungen gehen damit für die Rolle der Lehrkraft und die Strukturierung von Lernphasen einher?

Die meisten Lehrkräfte haben Lernen selbst so erlebt, wie es den Anforderungen an zeitgemäßes Lernen nicht mehr entspricht. So werden Erfahrungen aus der eigenen Lernbiografie schnell auf die Gestaltung des eigenen Unterrichts übertragen – was fehlt, sind Gegenentwürfe und Selbsterfahrung, die diese Lernbiografie um neue Lernformen erweitern.

Lernen, Probleme zu lösen

Die Anforderungen an das Bildungswesen verändern sich enorm – demografischer und technischer Wandel sowie globale Krisen brauchen neue Herangehensweisen an Probleme und Herausforderungen. Zudem findet Lernen heute schon zum großen Teil über die technischen Möglichkeiten des Web 2.0 und Social Media statt. Wissen ist nicht mehr wie früher begrenzt, sondern ständig abrufbar. Die große Herausforderung ist, mit diesem Wissen reflektiert und kritisch umzugehen und es in sich ständig wandelnden Problemfeldern situationsbezogen anzuwenden. Es ist daher wichtig, dass diese digitalen Wissensquellen in Lernprozesse einbezogen werden – sowohl in der Lehrkräftebildung als auch in der Schule.

Blended Learning als Chance für neue Lernprozesse

Es geht also um die Verknüpfung digitaler und analoger Lernumgebungen – und genau das ermöglicht das Konzept des Blended Learning. So werden die Vorteile aus digitalen Lernsettings und Präsenzveranstaltungen genutzt und in ein Lernkonzept gebracht, das den Kompetenzerwerb fördert.

Blended Learning ist in der betrieblichen Weiterbildung bereits ein etabliertes Konzept – in der Lehrkräftefortbildung ist es hingegen bisher kaum verankert. Dabei ist diese Möglichkeit der Selbstlernerfahrung ein hervorragender Ansatzpunkt, um auch mit Schüler*innen neue Wege des gemeinsamen Lernens zu beschreiten und das Prinzip des selbstorganisierten Lernens in den Mittelpunkt zu stellen.

Neue Rollen für Lehrende und Lernende

Mit der Neugestaltung von Lehr-Lernprozessen im Blended Learning-Format hat die Lehrkraft eine ganz neue Rolle. Statt über Methodik Lernprozesse von Schüler*innen zu steuern und den Schwerpunkt auf eine fachliche Wissensvermittlung zu legen, gestaltet eine Lernbegleitung innovative Lernumgebungen. In diesen wird Lernenden ein Ermöglichungsraum (sowohl digital als auch in Präsenz) eröffnet, um selbstorganisiert und gemeinschaftlich zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Diese individualisierten Lernprozesse von Lernenden gilt es in Zukunft einerseits zu initiieren und andererseits professionell zu begleiten – sowohl für Lehrkräfte als auch für Schüler*innen.

Ein Beispiel: Blended Learning in der Fortbildung von Lehrenden

Wir haben ein solches Blended Learning-Format mit einer Gruppe von Lehrenden einer Bildungseinrichtung durchgeführt, die ihr Lern- und Bildungskonzept komplett umstellen und mehr Selbstlernphasen und projektorientierten Unterricht einführen wollten.

In der Weiterbildung eigneten sich die Teilnehmenden einerseits selbstständig fachliches Wissen aus der Lernforschung sowie didaktisch-methodisches Know-How an und reflektierten andererseits ihre Rolle als Lehrkraft gemeinsam mit Kolleg*innen und einer unserer erfahrenen Lernbegleiter*innen, um sich in ihrer Professionalität weiterzuentwickeln.

Verschiedene Lernphasen digital und in Präsenz miteinander verknüpfen

In einer Zeit von drei Monaten tauchten die Lernenden in einem Wechsel aus Selbstlernphasen und Workshops (sowohl digital als auch in Präsenz) intensiv in das Thema und ihre ganz individuellen Herausforderungen ein. Gearbeitet wurde in Lerngruppen, die sich selbstständig organisierten. Wann immer nötig, konnte die Lernbegleitung als Coach digital hinzugezogen werden, um Unterstützung, Impulse oder Feedback zu geben. Die Lernbegleitung war zudem für das Management dieses Prozesses zuständig, entwickelte die digitale Lernumgebung im Lernmanagementsystem und gestaltete die Gruppenworkshops. Sie stellte Wissensbausteine (sogenannte Lernimpulse) in Form von Online-Trainings, Podcasts, Videos, wissenschaftlichen Artikeln, Blogs oder Wikis zur Verfügung und begleitete die Lehrkräfte in den selbstorganisierten Lernprozess, in dem sie die Lernenden Stück für Stück in eine Haltungsänderung führte. So wurde die Lernumgebung mit Leben gefüllt und die Verantwortung für den eigenen Lernprozess lag bei den Lernenden.

Eine wichtige Grundlage für Blended Learning-Formate ist ein Lernmanagementsystem, über das Inhalte zur Verfügung gestellt und miteinander geteilt werden können, in dem Austausch und Feedback innerhalb der Gruppe möglich ist und über das sich die Gruppe ihre Arbeitstreffen selbstständig organisieren kann.

Ablauf der Blended Learning-Weiterbildung

Im Folgenden stellen wir kurz den Ablauf der beschriebenen Weiterbildung dar, um greifbarer zu machen, wie Blended Learning aussehen kann. Dies ist natürlich in hohem Maß variabel und kann über kürzere oder längere Phasen laufen oder mit sehr häufigen oder eher seltenen Gruppenterminen gestaltet werden. Gerade bei der Übertragung auf die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind die Engmaschigkeit der Begleitung sowie die Zeitfenster der jeweiligen Lernphasen eine wichtige Stellschraube, um den Lernprozess an die jeweilige Zielgruppe anzupassen.

  • Workshop 1 – Kick-Off (virtuell): Die Lernenden entwickeln ein Verständnis für die Struktur des Lernprozesses und bilden Lerngruppen für die folgende Selbstlernphasen. Sie legen Themenschwerpunkte sowie ihre Gruppen- und Arbeitsstruktur fest.
  • Selbstlernphase (4 Wochen): Die Lernenden setzen sich einzeln und in ihren Lerngruppen mit ihren gewählten Themen auseinander. Unterstützt wird diese Phase durch Materialien, die die Lernbegleitung bereitstellt. Die Lernenden ergänzen diese durch eigene Materialien und Quellen.
  • Workshop 2 (Präsenz): Die Teilnehmenden präsentieren ihre Ergebnisse und diskutieren ihre Erkenntnisse. Sie bereiten zudem die nächste Selbstlernphase in ihren Arbeitsgruppen vor.
  • Selbstlern- und Praxisphase (4 Wochen): Neben der Erarbeitung von Themen geht es in dieser Phase insbesondere darum, neue Erkenntnisse in der Praxis zu erproben und Stück für Stück neue Lernformen zu etablieren.
  • Workshop 3 (virtuell): Die Lernenden reflektieren ihre Praxiserfahrungen in der großen Gruppe, geben einander Feedback und entwickeln gemeinsam Lösungsansätze für ihre individuellen Herausforderungen. Sie bereiten anschließend erneut die nächste Selbstlernphase in ihren Lerngruppen vor.
  • Selbstlern- und Praxisphase (4 Wochen): Diese Phase entspricht der vorangegangenen Selbstlern- und Praxisphase.
  • Workshop 4 – Abschluss (Präsenz): Die Teilnehmenden reflektieren ihre intensive Lernerfahrung und setzen sich damit auseinander, wie sie weitere Schritte gehen möchten, um das gesammelte Wissen, die gemeinsamen Erfahrungen und die Arbeitsergebnisse nachhaltig in die eigene Praxis und die Bildungseinrichtung zu integrieren.

Was bedeutet das für Schule?

Nicht zuletzt die Corona-Pandemie hat uns gezeigt, dass wir auch in Schule zunehmend mit der Chance und Herausforderung konfrontiert sein werden, ähnliche Lernprozesse zu etablieren. Die zentrale Struktur des Blended Learning, dieser Wechsel aus Phasen des Selbstlernens und der Vergemeinschaftung, des eigenständigen Wissenserwerbs und der Reflexion sowie des Transfers anhand von realen Problemsituationen, ist auch für Schule ein zukunftsfähiges Modell.

Selbstlernphasen können zu Hause oder in der Schule stattfinden – sie sind jedoch auf Strukturen und Räume für individuelles Lernen und die Nutzung digitaler Medien angewiesen. Nicht nur für Lernimpulse, sondern auch für kreative Präsentationen und gemeinsame Projektphasen. Insbesondere bei Kindern und Jugendlichen ist daher dabei ein Querschnittsthema, die Schüler*innen bei der Entwicklung von Medienkompetenz zu unterstützen, um sich selbstsicher und kritisch in ihrem digitalen Lernumfeld bewegen zu können. Eine solche Lernstruktur erfordert ein Umdenken verbreiteter Lernstrukturen, die in vielen Schulen nach wie vor auf der Fixierung von Klassenräumen und 45-Minuten-Fachunterricht beruhen. Doch Praxisbeispiele zeigen: Es geht – und es lohnt sich.

Den Prozess gestalten

Als zukünftige Gestalter*innen von innovativen Lernumgebungen kommt Lehrkräften an Schulen die herausfordernde Aufgabe zu, die Fähigkeit des Selbstlernens bereits in jungen Jahren zu fördern. Deshalb setzen wir uns als beWirken dafür ein, Transformationsprozesse in Schulen anzustoßen und gute Voraussetzungen für eine neue Lernkultur zu schaffen. Ohne einen Wandel der Lehrkräftebildung werden Initiativen und Veränderungsprozesse im Sande verlaufen, da die Rahmenbedingungen von Schule und ein damit überholtes Verständnis von Lernen bestehen bleiben. Gelingt es uns über die Lehrkräfte als Lernbegleitungen Strukturen und Haltungen in Schulen zu verändern, können Schulen Orte der Potenzialentfaltung und Innovation werden, in der die Zukunft von jungen Menschen gestaltet wird.

Selber zu Lernbegleitung werden

Im Schuljahr 2022/23 startet unsere sechs-monatige Ausbildung zur Lernbegleitung für Lehrkräfte. In den drei Tages-Workshops in der Präsenz, Online Terminen und Selbstlernphasen zwischen den Workshops wirst du von uns insgesamt für 6 Monate in deine neue Rolle als Lernbegleitung begleitet. Mehr Infos findest du hier.

Dieser Artikel wurde zuerst bei News4teachers veröffentlicht.

Über die Autorinnen

Franziska Köpnick ist als Expertin für Education Design verantwortlich für die transformativen Lernangebote sowie -formate und die Entwicklung neuer Rollen und Haltung in der Akademie von beWirken.

Judith Holle hat berufliche Bildung und Sozialpädagogik studiert und entwickelt als pädagogische Leitung bei beWirken didaktische Konzepte für Schüler*innen und Lehrkräfte.

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UnLearn School - Auf dem Weg zum Lernen der Zukunft

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